Wenn Leidenschaft allein kein Geschäftsmodell ist

Du willst dich selbstständig machen, eigene Kunden betreuen, Projekte gestalten und endlich dein digitales Können voll ausleben? Willkommen in der Welt der Digitalagenturen – einem Markt voller Chancen, aber auch voller Konkurrenz.

Viele Gründer*innen starten mit viel Energie und Fachwissen, aber ohne klares Geschäftsmodell. Sie wissen, was sie können – Design, Entwicklung, Strategie, Marketing –, aber nicht, wie sie damit Geld verdienen, wachsen und langfristig stabil bleiben sollen.

Als Gründer einer Digitalagentur, die sich auf Geschäftsmodell-Entwicklung und die Umsetzung digitaler Services spezialisiert hat, sehe ich das oft: Talentierte Menschen mit tollen Ideen scheitern nicht am Können, sondern an der Struktur ihres Geschäftsmodells.

Ein solides Geschäftsmodell ist kein bürokratisches Hindernis – es ist dein Fundament. In diesem Artikel zeige ich dir die 5 häufigsten Modelle, erkläre ihre Chancen und Grenzen und helfe dir herauszufinden, welches zu dir und deiner Idee passt.


1. Das klassische Projektgeschäft – der Agentur-Standard

Wie es funktioniert:
Du arbeitest projektbasiert. Ein Kunde beauftragt dich mit einer Website, App, Kampagne oder UX-Optimierung – du kalkulierst Aufwand, gibst ein Angebot ab, setzt um und rechnest ab.

Vorteil:
Klar definierte Projekte, planbarer Ablauf, direkte Kundennähe. Ideal für den Einstieg und für Gründer*innen, die ihr Portfolio aufbauen wollen.

Nachteil:
Kaum wiederkehrende Umsätze. Sobald ein Projekt abgeschlossen ist, musst du das nächste akquirieren. Außerdem gibt es oft Preisdruck, besonders bei vergleichbaren Leistungen.

Kritischer Punkt:
Im klassischen Projektgeschäft wird Wachstum schnell zur Belastung. Mehr Kunden = mehr Arbeit = mehr Stress. Skalierung ist schwierig, weil dein Modell an deine Zeit gekoppelt ist.

Mein Fazit:
Perfekt zum Start, aber langfristig solltest du über wiederkehrende Einnahmen nachdenken.


2. Retainer-Modell – planbare Umsätze, planbare Freiheit

Wie es funktioniert:
Du bietest Leistungen im monatlichen Abo oder auf Basis fester Kontingente an – z. B. „Digitalstrategie & Support für 2.000 € pro Monat“.

Vorteil:
Planbare Umsätze, weniger Akquise-Stress, engere Kundenbeziehung. Du wirst eher als Partner denn als Dienstleister wahrgenommen.

Nachteil:
Erfordert klare Kommunikation und Vertrauensbasis. Kunden müssen verstehen, dass sie nicht nur „Stunden kaufen“, sondern strategische Begleitung.

Kritischer Punkt:
Viele Gründer*innen tun sich schwer damit, laufende Leistungen zu bepreisen. Sie unterschätzen ihren Wert und verkaufen sich unter Wert.

Mein Fazit:
Wenn du Stabilität suchst und langfristig mit Kunden wachsen willst, ist das Retainer-Modell Gold wert – erfordert aber klare Strukturen und saubere Prozesse.


3. Performance- oder Erfolgsmodell – Risiko trifft Potenzial

Wie es funktioniert:
Du wirst am Erfolg deiner Arbeit beteiligt – z. B. pro Lead, pro Umsatzsteigerung oder pro Abschluss.

Vorteil:
Enorm motivierend – für dich und den Kunden. Wenn du gut bist, kannst du überdurchschnittlich verdienen. Außerdem zeigst du Selbstbewusstsein und Ergebnisorientierung.

Nachteil:
Hoher Risikoanteil. Du musst exakt messen können, welchen Beitrag deine Arbeit leistet. Außerdem bist du abhängig von Kundendaten, Tracking und deren Umsetzung.

Kritischer Punkt:
Nur sinnvoll, wenn du den gesamten Funnel oder Prozess mitgestalten kannst – sonst trägst du das Risiko für Fehler, die du nicht verursacht hast.

Mein Fazit:
Ideal für erfahrene Gründer*innen mit klarer Erfolgsmessung. Für Einsteiger zu riskant, aber spannend, wenn du dich auf datengetriebene Services spezialisierst.


4. Plattform- oder Produktmodell – weg vom Dienstleisterdenken

Wie es funktioniert:
Du nutzt dein Wissen, um ein eigenes digitales Produkt oder eine Plattform zu entwickeln – z. B. ein Tool, eine SaaS-Lösung oder ein Membership-Angebot.

Vorteil:
Hohe Skalierbarkeit. Du arbeitest einmal am Produkt und kannst es unendlich oft verkaufen. Passive oder wiederkehrende Einnahmen sind möglich.

Nachteil:
Hoher Aufwand in der Anfangsphase. Produktentwicklung, Marketing und Vertrieb erfordern Kapital, Zeit und Geduld. Außerdem brauchst du ein funktionierendes Ökosystem.

Kritischer Punkt:
Viele unterschätzen, dass Produktentwicklung nicht automatisch einfacher ist als Kundenprojekte – sie erfordert ein anderes Mindset und langfristiges Denken.

Mein Fazit:
Das Modell der Zukunft. Ideal für Gründer*innen, die ihre Agenturperspektive erweitern wollen – von der Umsetzung zur eigenen Wertschöpfung.


5. Hybrid-Modell – die intelligente Kombination

Wie es funktioniert:
Du kombinierst mehrere Modelle, um dein Risiko zu verteilen. Zum Beispiel:

  • Projektgeschäft für kurzfristige Liquidität
  • Retainer-Verträge für Stabilität
  • Eigene digitale Produkte für Skalierung

Vorteil:
Mehr Flexibilität, stabile Einnahmen und Raum für Innovation. Du kannst mit bestehenden Kunden langfristig wachsen und gleichzeitig neue Geschäftsmodelle testen.

Nachteil:
Erfordert gutes Zeitmanagement und klare Prioritäten. Wer alles gleichzeitig macht, verliert leicht den Fokus.

Kritischer Punkt:
Wachstum kann schnell chaotisch werden, wenn Prozesse fehlen. Ohne System droht Überlastung.

Mein Fazit:
Für viele Agenturen der ideale Weg. Aber nur, wenn du diszipliniert arbeitest und genau weißt, welches Modell welche Rolle in deinem Unternehmen spielt.


Meine Erfahrung als Gründer: Erfolg beginnt mit Klarheit

Als ich meine Agentur gründete, war ich überzeugt: Wenn wir gute Arbeit machen, kommen die Kunden automatisch.
Das stimmt teilweise – aber gute Arbeit allein ist kein Geschäftsmodell.

Wir starteten im klassischen Projektgeschäft, wuchsen schnell – und standen trotzdem regelmäßig vor der Frage: „Wie sichern wir unsere Einnahmen langfristig?“ Erst als wir unsere Leistungen strukturierten, auf strategische Begleitung und Geschäftsmodell-Coaching setzten und Retainer-Verträge einführten, entstand echte Stabilität.

Heute begleiten wir nicht nur bei der Umsetzung digitaler Services, sondern entwickeln gemeinsam mit unseren Kund*innen neue Geschäftsmodelle, die zu ihrem Markt und Leben passen. Und genau das ist der Schlüssel:

Nicht Technik, nicht ToolsKlarheit über dein eigenes Modell entscheidet über Erfolg oder Stillstand.


Wie du dein passendes Modell findest

  1. Reflektiere deine Ziele:
    Willst du Freiheit oder Sicherheit? Wachstum oder Unabhängigkeit?
  2. Analysiere deinen Markt:
    Was erwarten deine Kund*innen – kurzfristige Hilfe oder langfristige Partnerschaft?
  3. Kalkuliere deine Zeit realistisch:
    Dein Geschäftsmodell sollte zu deinem Lebensstil passen, nicht gegen ihn arbeiten.
  4. Teste, bevor du entscheidest:
    Baue MVPs – auch für Geschäftsmodelle. Starte klein, miss Erfolge, passe an.
  5. Bleib flexibel:
    Was heute funktioniert, kann morgen überholt sein. Geschäftsmodelle sind keine Dogmen – sie sind dynamische Systeme.

Fazit: Dein Geschäftsmodell ist dein Kompass, nicht dein Käfig

Es gibt kein „richtiges“ Modell für alle. Das beste Geschäftsmodell ist das, das zu dir, deiner Vision und deiner Lebensrealität passt.
Ob du als Solopreneur beginnst oder eine wachsende Agentur aufbaust – entscheide bewusst, wie du Wert schaffen und davon leben willst.

Denn am Ende gilt:

Technik kann man delegieren.
Strategie muss man verstehen.
Und Geschäftsmodelle muss man leben.


FAQ: Geschäftsmodelle für Digitalagenturen

1. Wie finde ich das richtige Geschäftsmodell für meine Agentur?
Starte mit einer ehrlichen Analyse deiner Ziele, deines Markts und deiner Ressourcen. Teste verschiedene Modelle, bevor du dich festlegst.

2. Kann ich mehrere Geschäftsmodelle kombinieren?
Ja – viele erfolgreiche Agenturen arbeiten hybrid. Wichtig ist, dass du klare Strukturen und Prioritäten setzt.

3. Wann sollte ich auf wiederkehrende Einnahmen setzen?
So früh wie möglich. Planbare Umsätze sind die Basis für nachhaltiges Wachstum.

4. Ist ein Produktgeschäft besser als Dienstleistung?
Nicht zwingend. Es erfordert andere Fähigkeiten. Entscheidend ist, ob du langfristig in Entwicklung und Vertrieb investieren willst.

5. Was, wenn mein Geschäftsmodell nicht funktioniert?
Kein Problem – das passiert oft. Nutze das Feedback, passe dein Modell an und entwickle dich weiter. Innovation heißt, Fehler früh zu machen und daraus zu lernen.

Von Aline